Corona und die (negativen) Auswirkungen auf die Spielebranche

Die gamescom ist de facto abgesagt, die E3 wurde schon vor einiger Zeit abgesagt, etliche Entwicklerkonferenzen wurden und werden abgesagt. Spiele-Releases werden verschoben, aktuelle Konsolen wie die Nintendo Switch sind weltweit ausverkauft und werden auf eBay und Co. zu horrenden Preisen angeboten – steckt die Videospielbranche in einer Krise und wie wirkt sich Covid-19 auf beteiligte Akteure aus? Eine Bestandsaufnahme.

Spielerzahlen steigen

Wie sich herausgestellt hat, ist die Corona-Krise ein zweischneidiges Schwert für die Spielebranche. In den vergangenen Wochen haben mehr und mehr Menschen gespielt. Das legen veröffentlichte Zahlen großer Online-Dienste nahe. Steam verzeichnete mit 20 Millionen gleichzeitig angemeldeten Nutzern einen neuen Rekord. Counter Strike: Global Offensive erreichte erstmals die 1-Millionen-Marke gleichzeitig aktiver Spieler, die Server vom neuen Call of Duty: Modern Warfare sind ebenso wie die Onlinedienste Xbox Live und Nintendo Online auf Grund der hohen Zugriffszahlen immer wieder nicht erreichbar.

Corona und die (negativen) Auswirkungen auf die Spielebranche

Bild: iStock / filadendron

WHO ruft zu Gaming auf

Der Grund dafür ist naheliegend: Gaming ermöglicht es uns, mit Freunden spielerisch in Kontakt zu bleiben. Wir erleben gemeinsam ein Abenteuer und plaudern nebenbei über Alltägliches. Eine Möglichkeit, unseren Liebsten in Zeiten der physischen Distanz dennoch nahe zu sein. Mit der Kampagne #PlayApartTogether rief sogar die Weltgesundheitsorganisation WHO zusammen mit renommierten Studios wie Activision Blizzard und Riot Games sowie dem Streaming-Dienst Twitch zum Daheimbleiben und gemeinsamen Spielen auf.

Aktienkurse steigen

Viele Branchen leiden unter der Corona-Krise, die Gaming-Industrie profitiert, scheint es. Der deutsche Leitindex DAX legte im Monatsrückblick um 10 Prozent an Wert zu, der Börsenwert einzelner Spieleschmieden erhöhte sich im selben Zeitraum um bis zu 21 Prozent. „Die Corona-Pandemie gibt der ohnehin schon wachstumsstarken Branche weiteren Aufwind“, so Kryptoszene-Analyst Raphael Lulay. „Insbesondere die Tatsache, dass Games mehr Anklang finden als Streaming-Angebote, könnte nicht zuletzt Investoren hellhörig werden lassen“.

Events abgesagt, Spiele verschoben

Doch wie sieht die langfristige Entwicklung aus? Während in den Wohnzimmern immer mehr gespielt wird, fürchten Entwickler, Publisher, Hardware-Hersteller oder Retailer um ihre Absätze. Spiele können nicht mehr fertiggestellt und müssen daher verschoben werden, fertige Spiele können nicht auf Discs gedruckt und nicht in den Läden verkauft werden. Und selbst wenn diese wieder aufsperren, ist mit einem langsamen Wiederanstieg der Nachfrage zu rechnen. Wie es um die neuen Konsolen Ende des Jahres aussieht, ist nach wie vor ungewiss. Sony kündigte an, die PlayStation 5 nur in begrenzter Stückzahl auf den Markt zu bringen – zumindest vorerst. Was das bedeutet? Hamster-Käufe profitgieriger Willhaben-Anbieter. Ähnlich, wie wir es mit der PS4 erlebt haben, die in den ersten Wochen nach Release vergriffen und für den doppelten Preis auf diversen Plattformen zum privaten Verkauf angeboten wurde.

Die Großen werden überleben

Ähnlich wie es bereits jetzt mit der Nintendo Switch passiert. Die Konsole ist derart beliebt, dass sie aktuell weltweit ausverkauft ist. Nintendo kommt mit der Produktion nicht nach. Spiele wie The Last of Us Part II oder Ghosts of Tsushima wurden wegen der Pandemie verschoben. Und dennoch: Die großen Firmen werden unterm Strich nicht in Bedrängnis geraten. Dafür ist die allgemeine Nachfrage nach Spielen und die Möglichkeit, diese mit Online-Angeboten zu befriedigen schlicht zu groß. Leiden müssen vor allem die kleineren Player, wie man an der (nicht)-Absage der gamescom sieht.

Gamescom nur digital

Am 16. April wurde verkündet, dass eine der größten Messen für Videospiele, die gamescom in Köln, in diesem Jahr nur digital stattfinden wird. Wie genau eine digitale gamescom ohne knapp 400.000 Besucher dafür mit Livestreams und On-Demand-Video-Angebot aussehen wird, ist ungewiss. Fakt ist jedoch, dass solche Messen nicht nur für das gewöhnliche Publikum ein Jahres-Highlight sind. Die Auswirkungen sind viel weitreichender.

Gamescom 2020 nur digital

Bild: Gregor Lorbek

Die Kleinen leiden besonders

Lokal betroffen sind vor allem Dienstleister, Logistiker, Techniker, Moderatoren, Promotoren oder Influencer sowie Hotels, Taxifahrer, Gastronomie und so weiter. International betroffen sind jedoch auch Aussteller wie Publisher und Entwickler. Gerade kleine Indie-Studios, hinter denen kein großer Publisher und Financier steht, nutzen solche Messen, um ihre liebevoll designten Spiele der Öffentlichkeit, einem Heer an Journalisten aber eben auch jenen Publishern zu präsentieren, die ihnen mit finanzieller Unterstützung das Überleben sicherstellen. Kontakte, die man auf Messen wie der gamescom knüpft, können zum Abschluss von Projekten führen, die einige Jahre bestehen. Networking ist ein enorm wichtiger Faktor. Ich bin gespannt, ob es auf der digitalen gamescom eine Möglichkeit dazu geben wird.

Fazit

Die Corona-Krise bringt neben einem (noch schnelleren) Aufschwung der Spielerzahlen auch etliche Herausforderungen mit sich. Die Absage großer Events ist nicht nur für die vielen Besucher schade, sondern für kleine Studios existenzbedrohend. Da können auch kleine staatliche Finanzspritzen nicht helfen, jahrelange Projekte wiedergut zu machen, die man aufgrund von erfolgreichem Networking an Land hätte ziehen können. Wie genau es um die neuen Konsolen Ende des Jahres steht, ist ungewiss, um den Fortbestand von Xbox und PlayStation mache ich mir jedoch keine großen Sorgen.

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