Selbstversuch: Bewusster Umgang mit dem Smartphone
Fluch und Segen? Die Vielzahl an Funktionen, die ein Smartphone heute vereint, die Masse an Nutzungsmöglichkeiten, machen uns immer abhängiger von den kleinen Geräten. Ein bewussterer Digitalkonsum hilft, sich auf das Positive zu konzentrieren und gefühlte Laster zu reduzieren.
Das Smartphone ist zu einem unglaublich nützlichen und daher fast unverzichtbaren Begleiter geworden – und das nicht nur für die „Generation Z/Y/X“ oder wie man junge Leute, die im digitalen Zeitalter (sprich mit dem Internet) aufgewachsen sind, auch immer nennen mag. Wir verwenden es zum Telefonieren, Chatten, Nachrichten lesen, Einkaufen, Fotografieren, Spielen, Bearbeiten von Mails, Organisieren von Terminen, Steuern des Smart Homes und natürlich für Social Media. Es ist ständig dabei, Grund für den kleinen Mini-Herzstillstand, wenn der Griff zur Hosentasche einmal ins Leere geht und idealer Zeitvertreib.
Wer besonders viel mit dem Smartphone zu tun hat, läuft allerdings Gefahr, in Abhängigkeiten zu verfallen. Bei allen Vorteilen, die die Geräte mit sich bringt, ist ein bewusster Umgang damit in unserer schnellen digitalen Welt durchaus empfehlenswert. Doch dieser muss erst gelernt werden. Ich habe eine Woche ganz bewusst auf mein Nutzungsverhalten geachtet und versucht, nur dann auf das Display zu schauen, wenn ich dies auch wirklich wollte. Eine spannende Erfahrung:
Digital ist überall
Ja, ich bin wohl einer von diesen jungen Leuten, die mit dem Internet groß geworden sind. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als wir in der Schule um den Highscore in Snake gewetteifert haben und der Router zuhause Geräusche von sich gegeben hat, als würde er zu Aliens Kontakt aufnehmen. Nach und nach wurde das Internet schneller, WhatsApp, Facebook und später auch Instagram verdrängten alte Wege der Kommunikation. Smartphones wurden leistungsstärker und mit immer mehr Funktionen und besseren Kameras ausgestattet. Viele Bereiche meines Lebens verlagerten sich in die digitale Welt. Heute bin ich nicht nur Gamer, sondern ein allgemein sehr technikaffiner Mensch. Neueste Trends habe immer gerne verfolgt, was ich als Technik-Redakteur schließlich auch muss. Somit bin ich nicht nur privat, sondern auch berufsbedingt ans Handy gebunden. Dass dauerndes Online-Sein auch stressig ist, dass Phasen der Erholung notwendig sind, habe ich nie mir nie wirklich bewusst gemacht. Bis ich mich fragte: Warum ist das Erste, was du machst, wenn du in die U-Bahn einsteigst, eigentlich zum Handy greifen?
Abschalten lernen
Genervt von Leuten, die selbst beim gemütlichen Beisammensein nicht fünf Minuten ihre Finger vom Handy lassen können und dauern nachschauen müssen, wenn sich eine Benachrichtigung meldet, war ich schon lange. Doch irgendwie gehöre ich da gelegentlich auch dazu. Also habe ich begonnen, mich einzulesen. Beim Recherchieren kam dann schnell der Begriff des „Digital Detox“ auf. Also eine bewusste Reduktion oder gar ein zeitweiser oder totaler Verzicht auf Digitalkonsum. Dahinter steckt die Idee, dass die schnelle digitale Welt unser Gehirn müde macht. Es fehlt die Zeit, gedanklich abzuschweifen und ins Leere zu denken. Die Folge: Man arbeitet unkonzentrierter und macht mehr Fehler, denn: „Fokussierung erlaubt uns das tiefe Eintauchen in komplizierte Sachverhalte und das Lösen konkreter Probleme. Genau das fällt heute immer schwerer, denn ständig lauern Unterbrechungen und Ablenkungen, die unsere Aufmerksamkeit stehlen“ meint Dr. Volker Busch, Facharzt für Neurologie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik in Regensburg gegenüber focus.de. Sogar die Schlafqualität und Schlafdauer können darunter leiden.
Zeit für sich nehmen
Ein bewusster Umgang mit sich selbst kann ein befreiendes Gefühl bewirken. Das setzt allerdings voraus, dass man mit sich selbst im Reinen ist und nicht vor seinen eigenen Problemen davonläuft. Doch genau davor, vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Person, läuft man gerne davon. Da lenkt man sich lieber ab. Wir schauen dauernd aufs Smartphone oder schalten nach der Arbeit zuhause sofort den Fernseher oder PC ein. Irgendwas muss immer laufen. Und dabei ist auch völlig egal, was wir uns ansehen, solange wir nicht zu viel (über uns) nachdenken müssen. Dabei sollten wir öfter einfach nichts tun und in Gedanken schwelgen. Denn „wir unterschätzen, wieviel Zeit wir für uns brauchen“ meint Diplompsychologin Friederike Gerstenberg in einem Interview mit der Zeit.
Ein Selbstversuch
Da ist was Wahres dran, dachte ich. Es klingt etwas esoterisch, aber genauso logisch und nachvollziehbar. Ein umfassender Verzicht auf Digitales war bei mir allein berufsbedingt nicht drin – und das wollte ich auch gar nicht. Es muss doch möglich sein, ein „digital nomad“ zu sein und dennoch im Einklang mit sich selbst zu Leben. Also habe ich versucht, eine Woche lang nur dann zum Smartphone zu greifen, wenn ich das auch bewusst so wollte. Das bedeutete: Kein Totschlagen der Zeit mehr, sondern die kleinen Pausen des Alltags auch wirklich als solche nutzen. Kein Smartphone mehr abends im Bett und auch morgens nicht gleich checken, was man auf Facebook verpasst haben könnte. Kein sinnloses Surfen ohne Ziel und Zweck. Benachrichtigungen so gut es geht deaktiviert. Abends beim Ausgehen das Handy auch Mal daheimlassen.
Und was ist passiert? Anfangs war es gar nicht so leicht, den kleinen Versuchungen zu widerstehen. Immer wieder wollte ich instinktiv zum Handy greifen. Doch wofür, hab ich mich gefragt. Will ich wirklich etwas nachsehen, jemandem schreiben oder meine Mails checken? Wenn die Antwort nein lautete, blieb das Gerät in der Tasche. Nach einer kurzen Phase der Umgewöhnung konnte ich Alltagssituationen tatsächlich bewusster erleben. Abends wenn ich unterwegs war, fühlte ich mich unbeschwert. Klar, ich konnte kein Uber rufen, ich wusste nicht, wann die nächste Ubahn fährt und ich war generell unflexibler. Und natürlich habe ich mich dann auch wieder darauf gefreut, Nachrichten zu lesen, durch Facebook zu scrollen, Videos zu schauen – das war per se ja nicht verboten, nur eben eine bewusstere Handlung als früher. In der Straßenbahn habe ich dann andere Menschen beobachtet (wie sie auf ihr Smartphone starren), gelegentliche Blickkontakte ausgetauscht oder einfach aus dem Fenster geschaut, die Welt an mir vorbeifahren und die Gedanken treiben lassen.
Fazit
Ich liebe mein Smartphone nach wie vor. Ich finde es großartig, was man damit alles machen kann. Die Qualität der Fotos ist beeindruckend und allein deshalb möchte ich es auch in Zukunft weiter bei mir haben. Dennoch war es eine sehr positive Erfahrung für mich. Ich möchte in Zukunft etwas bewusster mit meinem Handy umgehen. Sinnlose und instinktive Griffe zum Gerät vermeiden. Ich fühlte mich nämlich tatsächlich stressfreier und weniger „getrieben“ – und schließlich möchte ich nicht, dass mich mein Smartphone vereinnahmt. Es soll mit all den Funktionen, Features und tollen Möglichkeiten, die es bietet, mein Leben bereichert. Natürlich werde ich abends meist wieder mit Smartphone unterwegs sein. Aber gelegentlich darf es zuhause bleiben. Gelegentlich sollte man sich „offline“-Phasen einräumen dürfen. Ich kann diesen spannenden Selbstversuch jedem ans Herz legen, der das Gefühl hat, dauernd am Handy zu „picken“.
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