Arrival – Kampf mit der Kommunikation
nöhcs, ssad rhi ned golb uz „lavirra” tsel, hcua nnew se hcue rewhcs tlläf!*
Lesefluss gebremst? Was bei Rechtsschreibreformen, Jugendslang oder Dialekten beginnt endet beim Science Fiction Hit „Arrival“. ACHTUNG SPOILER WARNUNG! Nach der „Handlungsebene“ folgen meine „Gedankenabrisse“, die empfehle ich euch, nachdem ihr den Film in der A1 Videothek gesichtet habt. Alle Gedanken sind wie immer ohne Gewähr!
Nicht nicht kommunizieren geht nicht
„Arrival“ – Handlungsebene“
Basierend auf der Kurzgeschichte „Story of Your Life“ von Ted Chiang beginnt „Arrival“ mit einem bekannten Science Fiction Motiv. 12 extraterrestrische Raumschiffe landen auf der Erde ohne erkennbare Absicht. Doch „Arrival“ hebt sich wohltuend von den sonstigen Zerstörungsorgien ab und beschäftigt sich stattdessen mit der Frage: Wie können wir mit einer andersfunktionieren Intelligenz kommunizieren? Amy Adams alias der Sprachwissenschaftlerin Louise Banks gelingt als erstes eine Kontaktaufnahme. Allerdings läuft ihr die Zeit davon, da China die Besucher aus dem All als feindselig einstuft und einen militärischen Erstschlag plant.
„Arrival – Gedankenabrisse“
Hier ein paar meiner Gedanken zum Film, ihr könnt diese gerne weiterspinnen.
Neben ihrem ungewöhnlichen, Oktopus ähnlichem Aussehen kommunizieren die Heptapoden mit walähnlichen Lauten und ihre Schrift besteht aus einer Variation von Kreisen. Sowohl Oktopusse als auch Wale gehören zu den intelligentesten Lebensformen unseres Planten deren Kommunikation für uns weitgehend unverständlich ist. Die Andersartigkeit der Intelligenz der vermeintlichen Invasoren wird dadurch unterstrichen, dass sie ohne Algebra auskommen. Die Kreise verbildlichen ihr Denken, dass Raum und Zeit relativiert, da ein Kreis weder Anfang noch Ende kennt.
- Piepmatz Impossible
Regisseur Denis Villeneuve schafft es mit einem gelungen Trick, mehrere ästhetische Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Beim vermummten Betreten des Raumschiffs werden Louise Banks, Astrophysiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) und die Soldaten von einem kleinen Vogel im Käfig begleitet. In der in sich geschlossenen Welt des Films hat das Tier nur eine Aufgabe: Bei Strahlung oder unsichtbarer Gefahr durch seinen Tod die Mannschaft zu warnen. Denkt man etwas weiter, verdeutlicht der Vogel die Relationen zwischen den Protagonisten. Auf der Erde mögen die Menschen „die Krone der Schöpfung“. Im Vergleich mit dem Heptapaden sind wir nicht mehr als zwitschernde Piepmatze.
- Oscar fürs Sounddesign
Neben der visuellen Geradlinigkeit beeindruckt Villeneuve und sein Sound Department (wie schon in Sicario) mit dem Gespür für Ton und Klang. Neben der dezenten, basslastigen Hintergrundmusik bis hin zum Einsatz des Vogelzwittschern oder dem Schallen der Sirene passt es einfach.
- Der schwarze Monolith!
Eines der stilistischen Rätseln das uns Stanley Kubrick in „2001 – Odyssee im Weltall“ hinterlassen hat, ist das Auftauchen des schwarzen Monolithen. So zentral dieser Monolith für den Film selbst ist, so geheimnisvoll ist sein Wesen. In „Arrival“ wird das Motiv wieder aufgegriffen. So gibt es eine frappante Ähnlichkeit zwischen dem dunklen Felsstück und den kontaktlinsenförmigen Raumschiffen in der 2016er Produktion. Schwarz und ohne mess- oder sichtbaren Antrieb schweben sie über der Erde und ziehen Militärs und Wissenschaftler an, wie einst die Menschenaffen in Kubricks Meisterwerk.
- Das Bild im Bild im Bild!
Eine weitere Deutungsweise des Monolithen von Kubrick ist die „Screen in Screen“ Interpretation. „2001 – Odyssee im Weltall“ beginnt mit einer schwarzen Kinoleinwand und der Monolith fliegt während des Films im Querformat durch das Universum. Der Monolith kann daher als Metapher für die Kinoleinwand und das Medium Film selbst gesehen werden. Mit Kreativität und Ideen kann der Filmemacher aus einem blanken Rechteck sein eigenes fantastisches Universum erschaffen.
In „Arrival“ fügt der Regisseur einen Schirm hinzu, um uns tiefer in die Geschichte zu ziehen. So lässt er den Zuseher, die Louise und Ian im „Empfangsraum“ der unbekannten Wesen beobachten, wie Lousie und Ian ihrerseits mit den Heptapoden Kontakt aufnehmen, die sich hinter einem mit weißem Nebel gehüllten Schirm befinden. Dadurch bekommen wir das Gefühl dichter an den Schauspielern und der Handlung dran zu sein. Auf der anderen Seite wirken die fremdartigen Geschöpfe dadurch irreal und traumhaft, da uns der Bildschirm im Querformat nochmals vor Augen geführt wird.
- Schiff ahoi!
Dieser Traumeindruck wird noch verstärkt. Das Transportmittel der Fremden aus der Galaxie hebt die Naturgesetze auf. Louise und Ian werden vom Schiff förmlich „in den Bann gezogen“, da sie plötzlich schwerelos sind.
- Kommunikation im Kreis oder „What is your purpose on earth?“
Was wollt ihr auf der Erde? Lautet die Frage die Wissenschafters und Militärs beantworten wollen, damit sie ihr weiteres Vorgehen bezüglich der Alienbesucher abstimmen können. Schon diese einfache Frage ergibt eine Fülle von Problemen: Verstehen sie diese Art des Satzbaues, fühlen sie sich als einzelne oder als Gruppe angesprochen, verfolgen alle 12 Schiffe und deren Reisende das gleiche Ziel?
Gleichzeitig hält uns das weiße Clipboard mit dieser Frage und rings um verschmierten mathematischen Formel den Spiegel vor die Augen. Was wollen WIR erreichen? Können wir unsere Wünsche richtig artikulieren? Kann die Menschheit ein gemeinsames Ziel verfolgen?
Die Andersartigkeit der Heptapoden zeigt uns die Selbstverständlichkeit auf, aufgrund derer wir Kommunikationscode entsprechenden unserem kulturellen Hintergrund entschlüsseln. Kommunikation erfolgt über viel mehr als die richtige Reihenfolge von Worten. Gesten, Mimik und Gedanken hauchen der bloßen Information „Menschlichkeit“ ein.
- Traum, Raum & Zeit
„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“ Ludwig Wittgenstein. Bei den Heptapoden besteht keine Verbindung aus Gesprochenem und Geschriebenen. Ihre Schriftzeichen gleichen rohrschachtestartigen Kreiszeichen. Durch das Fehlen von Anfang und Schluss heben sie de facto für ihre Kommunikation die Zeit auf und die Trennung zwischen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit auf. So wie das Unterbewusste und Unbewusste die Realität des Traums formt. Und diese Gabe erhält Louise von den fremden Sternenbesuchern: Mit Visionen kann sie die Grenzen zwischen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit zum verschwimmen bringen.
Wiederum gelingt es Villeneuve den Inhalt mit der Form perfekt zu verbinden. Die bruchstückhaften, „zeitlosen“ Visionen der Sprachwissenschaftlerin verwirren uns als Zuseher zunächst und gleichen wie der „Screen im Screen“ einem „Rätsel im Rätsel“, das am Ende des Films gelüftet wird.
Gleichzeitig zeigt uns der Filmemacher mit dem Rätsel von Louise, wie Film gemacht wird und was Film ausmacht. Filme bestehen aus unzähligen Schnitten, erzählerischen Auslassungen, Flashbacks, Flashforwards, kurzum aus dem, was als fertiger Film zu sehen sein soll. Und das geniale dabei ist, das wir diese einzelnen Fragmente zusammensetzen. Aus Illusionen werden durch ein wenig Technik Realität und viel Kreativität ein gutes Stück Film. Arrival eben.
Viel Spaß beim mehrmals Schauen wünscht euch
Philipp
*Hier die Auflösung vom Beginn: „Schön, dass ihr den Blog zu „Arrival“ lest, auch wenn es euch schwer fällt!“
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