IoT Projekte – kleine Schritte, große Wirkung

Die Themen Industrie 4.0, M2M, Internet of Things (IoT) usw. begleiten viele Branchen seit längerer Zeit. Mit der stetigen Entwicklung der Technologien wird es für immer mehr Unternehmen möglich, diese Buzzwords in reale und sinnvolle IoT Projekte zu transformieren.

Aus diesem Grund haben wir uns mit Phat Huynh, Managing Director Telekom Austria Group M2M, getroffen und mit ihm über Definitionen, Standards und Projekte rund um das Internet of Things gesprochen.

A1 Blog: Wenn wir von M2M, Industrie 4.0 und IoT sprechen – was meinen wir damit?

Phat Huynh: Grundsätzlich bin ich mit diesen Buzzwords nicht so glücklich. Die Anwendungen sind über die verschiedenen Branchen hinweg breit gestreut, weshalb diese schwer in einem Begriff zusammengefasst werden können. Ich vergleiche das gerne mit dem Begriff Web 2.0, der vor über 10 Jahren aufgekommen ist. Auch dieser umfasst vieles. Wichtig ist, dass die Applikationen, die entstanden sind, geblieben sind und der Begriff in den Hintergrund gerückt ist. So ist es auch bei M2M, Industrie 4.0, IoT oder Smart Everything – wichtig wird sein, dass die Anwendungsfälle, die daraus entstehen, übrig bleiben.

M2M hat für uns ursprünglich alle Anwendungsfälle umfasst, welche Mobilfunk bzw. SIM-Karten als Datenübertragungstechnologie eingesetzt haben, aber nicht typischerweise ein Smartphone, Notebook oder Tablet waren. Sondern in Maschinen, Geräten und Fahrzeugen eingesetzt werden, die autonom miteinander und einem zentralen Informationssystem kommunizieren. Wir sind mittlerweile einen Schritt weiter gegangen – wir haben uns bezüglich Übertragungstechnologie über das Mobilfunknetz breiter aufgestellt. Beispielsweise bei Smart Metering werden unterschiedliche Mesh-Funknetzwerke oder Powerline Communication eingesetzt.

Ganz neu entstehen außerdem Technologien wie Sigfox, LORA aber auch Narrowband IoT, mit denen die Datenübertragung in den Netzen effizienter abgewickelt werden kann. Effizientere Netze im Kontext M2M bedeutet schnellere Schaltvorgänge, längere Akkulebensdauer, kürzere Latenzzeiten, bessere Ausbreitungsverhältnisse, um Sensoren in Kellern, Straßen usw. einbringen zu können sowie geringere Kosten der Kommunikationsmodule.

Phat Huynh A1 Blog Interview

Phat Huynh im Gespräch mit dem A1 Business Blog

A1 Blog: IoT ist schon länger im Trend – erst in der letzten Zeit werden auch größere Projekte bekannt. Smart Metering & PORR sind solche Beispiele. Warum hört man erst jetzt von großen Projekten?

Phat Huynh: Hier sind zwei Faktoren entscheidend. Der eine ist, wie sich das Thema entlang der Wertschöpfungskette entwickelt hat, von Lösungsanbieter bis hin zu einem Endanwender. Das zweite Thema ist, wie lange ein Endkunde braucht, um eine Entscheidung zu treffen, solche Technologien einzusetzen.

Das Thema M2M ist schon länger existent als wir das diskutieren. M2M Projekte mit GPS Trackern in Flottenmanagement-Systemen oder mobilfunkbasierte Alarmanlagen gibt es seit 15, 20 Jahren. Früher noch mit Circuit Switched Data Übertragung, heute schon mit IP-basierter Datenübertragung.

Für uns hat sich das Thema vor etwa 6 Jahren herauskristallisiert, weil wir immer mehr Projekte innerhalb unserer Kundenbasis gesehen haben, die SIM-Karten für die Kommunikation zwischen Maschinen eingesetzt haben. Damals war unser Wertschöpfungsanteil als Zulieferer der SIM-Karten sehr eingeschränkt. Beispielsweise war TomTom eines der großen ersten Projekte, welches wir umgesetzt haben. Mittlerweile sind wir in der Wertschöpfungskette vom Lieferanten von SIM-Karten für Lösungsanbieter hin zu einem Anbieter von eigenen Lösungen für End- und Unternehmenskunden gewachsen. Inklusive Hardware, Software und Integrationsdienstleistungen. Deswegen sprechen wir erst seit kurzer Zeit über größere Projekte.

Das Thema auf Seiten der Unternehmen: M2M als Technologie ist einfach nachvollziehbar und verständlich – es werden Daten übertragen, mit denen man etwas anfangen kann. Die Schwierigkeit für große Unternehmen besteht nicht darin, die Technologie umzusetzen, sondern die Ablaufprozesse und die organisatorischen Strukturen dahinter zu schaffen. Weil mit einem digitalisierten Prozess plötzlich die ganze Organisation umgestellt werden muss. Deswegen brauchen unsere Kunden typischerweise mehrere Jahre von einer ersten Konzeption zu einer Umsetzung bis zu einem Roll-out.

Das Beispiel PORR ist sehr plakativ – 2014 begann dort das Pilotprojekt. Erst jetzt sind wir in den großflächigen Roll-out gegangen. Es musste erst festgelegt werden, wie die Prozesse dahinter aussehen, wie die Daten nutzbar sind – wie kann das Unternehme diese Daten in die bestehende IT-Infrastruktur integrieren?
Kulturwandel ist ebenfalls damit verbunden – wir haben immer wieder Herausforderungen im Datenschutz. Im Kontext des Mitarbeiterschutzes kooperieren wir sehr eng mit den Personalvertretungen und Betriebsräten in der Kundenorganisation, um dort entsprechende Spielregeln und Systeme vorzusehen. Welche Daten sind für wen einsichtig, wie lange werden diese gespeichert und wie werden diese protokolliert und auditiert? Diese Themen werden oft vergessen, wenn man sich den funktionalen Aspekt der Lösungen ansieht. Change Management, Projektbegleitung und organisatorische Anpassungen sind notwendig.

Smart Metering Anlage Telekom Austria Group M2M

Smart Metering Lösung der Telekom Austria Group M2M

A1 Blog: Werden M2M Lösungen vorwiegend von größeren Organisationen nachgefragt oder ist das Interesse von klein- und mittelständischen Unternehmen ebenfalls gegeben?

Phat Huynh: Grundsätzlich ist es nicht von der Größe des Unternehmens abhängig sondern viel mehr von seiner Rolle in der Wertschöpfungskette, denn Digitalisierung passiert meistens nicht nur innerhalb eines Unternehmens. Sie macht nur dann Sinn, wenn Schnittstellen zwischen Unternehmen berücksichtigt werden.
Dementsprechend kann es vorkommen, dass ein Großunternehmen Digitalisierung vorantreibt, eine kleinere Organisation als Lieferant aber genauso digitalisiert werden muss. Beispielsweise ein städtischer Bauhof ist zuständig für Winterdienste. Dafür bedienen sich die Stadtverwaltungen typischerweise Sublieferanten – Landwirte etc. Diese wiederum brauchen einen Leistungsnachweis, welcher digital erbracht werden soll. Das heißt, auch Landwirte können genauso interessant für M2M wie große Unternehmen sein. Technologisch ist das ein und dasselbe Thema, in der Abwicklung und den Prozessen natürlich ein wesentlicher Unterschied.
Genauso interessant für uns sind die Lösungsanbieter – meist Technologiespezialisten wie Tractive –  mit einer Hand voll Mitarbeitern, welche SIM-Karten für ihre Lösungen von uns beziehen.
Mit unseren Lösungsprojekten fokussieren wir sehr segmentspezifisch; dh. wir haben für klein- und mittelgroße Unternehmen Gesamtlösungen paketiert, die man im Internet bestellen oder über Vertriebspartner kaufen kann. Diese sind wenig anpassbar.
Während wir für Großkunden typischerweise Baukastensysteme anbieten, die wir für den Kunden im Rahmen eines Integrationsprojektes anpassen und für seine organisatorischen Prozesse entsprechend customizen. Weil hier nicht mehr die Funktion im Vordergrund steht, sondern die Prozess-Integration.

A1 Blog: Thema Landwirte und Connected Farming – kannst du uns darüber erzählen? Das ist ein Bereich, bei dem man nicht vermuten würde, dass M2M Technologie dahinter steckt.

Phat Huynh: Smart Farming ist ein sehr gutes Beispiel für die Herausforderungen im M2M Umfeld. In diesem Bereich gibt es schon sehr lange, sehr innovative Lösungen. Es werden z.B. schon längere Zeit intelligente Wetterstationen eingesetzt, welche Temperatur, Sonneneinstrahlung, Blattfeuchte, Windstärke, Luftdruck und so weiter messen. Daraus ergeben sich Informationen für Landwirte, wie bspw. der Acker am besten bewirtschaftet werden kann.
Auch in der Viehwirtschaft gibt es Lösungen – sind die Tiere richtig ernährt, müssen Medikamente verabreicht werden etc.
Ein gutes Beispiel für eine Prozessoptimierung mit M2M ist die Brunftsteuerung- es geht wirklich darum festzustellen, wann das Tier fruchtbar ist. Ein Befruchtungsversuch kostet einfach mehrere tausend Euro. Wenn es nicht funktioniert und das Tier nicht trächtig wird, dann war das umsonst und es muss wiederholt werden – es vergeht Zeit, es entstehen Kosten.
Natürlich geht es auch darum, Landmaschinen auszustatten. Vor allem, wenn diese nicht mehr selbst gekauft werden, sondern von den Landwirten über Verbände wie dem Maschinenring verliehen werden.
Smart Farming Lösungen sind heute im sehr kleinen Rahmen eingesetzt, da sich Landwirte nicht vorwiegend mit IT-System auseinandersetzen. Außerdem sind das meist Insellösungen. Die A1 Graduates hatten im Zuge ihrer Abschlusspräsentationen die Idee eine zentrale Plattform für Landwirte zu schaffen, die auch gemeinschaftlich angeschafft und genutzt werden kann. Das Konzept haben wir aufgegriffen und erarbeiten gemeinsam die Produktreife.

A1 Blog: Wie sieht Projektmanagement von IoT-Projekten aus – müssen Mitarbeiter sich neue Kompetenzen hinsichtlich Datenanalyse etc. aneignen?

Phat Huynh: Projektmanagement ist bei diesem Thema irrsinnig wichtig, viel wichtiger ist aber noch das Change Management. Wir haben im Zuge von Projekten mit Kunden gelernt, auf welche Themen man achten muss. Wie kann man die Prozesse planen? Wie muss eine Betriebsvereinbarung für die Nutzung der Daten aussehen? Das gehört jetzt auch zu unserer Kernkompetenz dazu – zu beraten und diese Erfahrungswerte in ein Projekt mit einzubringen.
Die Frage nach der Kompetenz, die der Mitarbeiter auch haben muss: idealerweise ist es so, dass eine Lösung für den Mitarbeiter nicht erfordert, dass er wesentlich umlernt oder ein Unternehmen eine neue IT-Abteilung gründen muss. Eine gute Lösung macht aus, dass am Ende eine Information, Erkenntnis und Maßnahmenempfehlung für den Anwender entsteht und nicht Daten per se.
Dahin entwickeln wir uns auch weiter.  Wir überlegen uns auch immer mehr in Richtung Analytics und wie wir diese Daten auch für die Auswertung und für die Erarbeitung von Erkenntnissen nutzen können.

Telekom Austria Group M2M IoT Lösungen

Die Telekom Austria Group M2M bietet neben SIM-Karten, Hardware, Software und Integration auch die Begleitung von IoT-Projekten

A1 Blog: Wie sieht es im M2M Umfeld mit technologischen Standards aus, damit verschiedene Systeme miteinander kommunizieren können?

Phat Huynh: Die Branche ist sich einig, dass wir Standards brauchen. Allerdings ist sie sich nicht einig darüber, wer dafür verantwortlich ist. Das ist bei Standardisierung immer das Thema – es gibt viele unterschiedliche Interessen, aus denen sich wiederum proprietäre Standards entwickeln.
Bei M2M ist es wie bei vielen datenintensiven Anwendungen: der Mehrwert entsteht erst durch Vernetzung der Daten. Das passiert leider noch nicht. Heute hat man viele Insellösungen, die jede Menge Daten auswerten, aber nicht untereinander verbunden sind. Durch diesen Silo-Gedanken sind gesammelte Daten meist nicht für andere verwertbar. Aber hier gibt es bereits wichtige und richtige Ansätze, die überlegen, wie man auf allen Ebenen Standards schaffen und Interoperabilität herstellen kann.

A1 Blog: Ein Stichwort: Cloud. Ein wichtiger Faktor in M2M, oder?

Phat Huynh: Cloud ist ebenfalls ein Buzzword. Wenn wir zwischen Private Cloud und Public Cloud unterscheiden, dann sehen wir, dass die private Cloud mittlerweile Realität ist. Die meisten unserer Kunden haben ihre Anwendungen bei uns gehostet, das heißt wir nutzen hier auch die Kompetenzen von A1 und der ICT-Unit.
Es gibt nur mehr wenige Kunden, schon gar nicht die Kleineren, die ihre Lösungen selbst betreiben. Ganz öffentlich sind die meisten Daten noch nicht – aber es gibt da Beispiele dafür wie die Londoner Stadtregierung, die für Verkehrs- und Stadtplanung Open Data anbietet. Letzten Endes, damit die Daten effizient genutzt werden können, müssen wir sie auch zu einem gewissen Grad öffnen und verfügbar machen – das geht in einer Cloud-Infrastruktur wesentlich besser.

A1 Blog: Hast du noch Schlussworte, welche du uns zu diesem Thema mitteilen möchtest?

Phat Huynh: Ich sage den Kunden gerne „Lasst euch nicht abschrecken von diesem großen Thema Internet of everything, M2M usw.“. Die meisten Kunden können mit den Begriffen nicht immer etwas anfangen, diese Buzzwords produzieren durchaus Ängste. Deshalb empfehle ich, klein anzufangen und groß zu denken. Klein anfangen bedeutet, sich einzelne Anwendungsfälle zu überlegen und mit der Frage zu beginnen „Wann habe ich mir zuletzt gedacht: Wenn ich das doch früher gewusst hätte?“. Wenn man sich dann überlegt, mit welcher M2M Lösung kann ich die Information schneller und nachhaltig bekommen, dann kann man hier oft schon sehr kleine Maßnahmen setzen, welche aber eine große Auswirkung haben.

A1 Blog: Danke für das sehr interessante Gespräch!

Überblick Telekom Austria Group M2M

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