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Weihnachten: Eine Zeitreise

Gerhard Fürnweger verwaltet das Historische Archiv der A1 Telekom. Für uns erzählt er von seinen Weihnachtsabenden in den 1960ern.

Ich erinnere mich an das Weihnachtsfest 1960 deshalb noch so genau, weil in diesem Jahr mein Vater in der Auslage seiner Parfumerie eine kleine elektrische Eisenbahn aufgebaut hatte. Die kleine Lok zog fünf Wagons, in denen kleine Parfumfläschchen, Seifen und Lippenstifte im Kreis geführt wurden.
Vor Weihnachten herrschte Hochbetrieb in der Parfumerie meines Vaters. Wir Kinder durften helfen.

Die Eisenbahn im Schaufenster

​​​​​​​Zur damaligen Zeit war so eine kleine Eisenbahn etwas Besonderes. Kaum ein Kind durfte eine elektrische Eisenbahn sein Eigen nennen. Die Kinder aus der ganzen Umgebung kamen zu dem Schaufenster und bestaunten diese „Kleinbahn“ (so hieß auch die Firma, die diese Eisenbahn herstellte). Stundenlang war die Auslage von Kindern belagert. In der Mitte des Schienenkreises hatte mein Vater eine kleine, mit elektrischen Lichtern geschmückte Fichte aus unserem Garten aufgestellt, um die Geschenkpackungen der damals gängigen Parfums und Seifen drapiert waren. Mein Bruder und ich durften den Zug mit dem Trafo, der im Geschäft hinter der Auslage montiert war, steuern.
Unsere Kleinbahn war 1960 etwas ganz besonderes.

Kleine Geschenke

Kurz vor Weihnachten war im Geschäft meines Vaters immer die Hölle los. Nachdem die Auswahl an Geschenkmöglichkeiten damals bei weitem nicht so breit gefächert war wie heute und nachdem die Leute in dieser Zeit noch eher praktische Dinge schenkten wie Haushalts- und Parfumeriewaren, florierte das Geschäft vor Weihnachten. Auch meine Mutter half im Geschäft mit und sogar wir Buben durften Kunden bedienen.

Am Heiligen Abend wurde das Geschäft allerdings um 12 Uhr mittags zugesperrt und wir gingen nach Hause in unsere Wohnung, um dort alles für den Heiligen Abend vorzubereiten. Nach dem Mittagessen brachen wir Buben dann mit unserem Vater zu einem ausgedehnten Spaziergang auf, derweil meine Mutter den Christbaum schmückte und die Geschenke unter den Baum legte. Dies wiederholte sich Jahr für Jahr, lediglich die Ausflugsziele änderten sich im Laufe der Jahre.

Gerhard Fürnweger Freier Journalist und Autor

Früher war zu Weihnachten alles ruhiger, gemütlicher und stimmungsvoller

Warten auf das Christkind

Meist begannen diese Spaziergänge auf dem Wiener Christkindlmarkt, der zu dieser Zeit noch auf dem Platz vor dem Messepalast untergebracht war. Die Marktstände waren ganz einfache Holzhütten, teilweise noch ohne elektrisches Licht, aber dafür duftete es überall nach Bratäpfel, Maroni, gebratenen Mandeln und Lebkuchen. Zumeist waren es Süßigkeiten, Backwaren und Spielwaren sowie Christbaumschmuck, die da feilgeboten wurden. Aber auch Haushaltsgeräte und sogenannte Haushaltshelfer wie Schneidbretter, Kartoffelschäler, Apfelentkerner und ähnliche Gerätschaften warteten auf Abnehmer. Wir Kinder bekamen bei jedem Besuch des Christkindlmarktes ein Säckchen Maroni (die kosteten genau einen Schilling) und ein kleines Holzspielzeug oder eine Trillerpfeife (auch das kostete einen Schilling).

Wir liebten als Kinder die Spaziergänge auf dem Wiener Christkindlmarkt, der zu dieser Zeit noch auf dem Platz vor dem Messepalast untergebracht war.

Ein Schilling

Überhaupt war damals ein Schilling noch viel Geld. Um einen Schilling bekam man im Sommer ein kleines Eis, man bekam um einen Schilling bei unserem Fleischhauer eine Extrawurst-Semmel, man bekam eine Tageszeitung, im Winter beim Maronibrater bekam man eine Portion Maroni oder eine Portion Bratkartoffeln und im Zuckerlgeschäft bekam man um einen Schilling einen Bensdorp-Riegel oder 10 Stollwerk. Wir Kinder freuten uns schon wochenlang auf den Christkindlmarkt. Der war sozusagen das Highlight des zu Ende gehenden Jahres. Anders als heute gab es damals ja weder an jeder Straßenecke Geschäfte, in denen man alles kaufen konnte, noch hatte der Großteil der Bevölkerung die finanziellen Mittel, um in den wenigen großen Kaufhäusern, die es gab, einkaufen zu können.

Zur damaligen Zeit waren die Winter ja noch wesentlich schneereicher als heute. Die auf die Erde fallenden Schneeflocken sahen nicht nur wunderschön aus, sie zauberten auch eine ganz eigene Weihnachtsstimmung in die Gesichter der Christkindlmarkt-Besucher. Direkt vor dem Eingang in den Messepalast konnten Kinder auf Ponys reiten. Diese stapften durch den an manchen Stellen bis zu dreißig Zentimeter hoch liegenden Schnee und freuten sich über mitgebrachtes altes Brot, einen Apfel oder ein Stück Zucker.

Waren gerade zu Weihnachten extrem belagert: Telefonzellen. Dort hieß es auf Plakaten: "Fasse dich kurz!".

Schlangen vor den Telefonzellen

Nach dem Besuch des Christkindlmarktes durchquerten wir den ersten Bezirk, um zu unserer Wohnung im zweiten Bezirk direkt neben dem Donaukanal zu gelangen. Vor den Telefonzellen, die auf unserem Weg lagen, standen Menschenschlangen angestellt. Jeder wollte zu Weihnachten seine Verwandten anrufen und ihnen ein frohes Fest wünschen. Zu dieser Zeit war ein Telefonanschluss zu Hause noch keine Selbstverständlichkeit. Und wenn man einen Telefonanschluss sein Eigen nennen konnte, war es zumeist nur ein Viertelanschluss. Bei dieser Anschlussart waren vier Teilnehmer auf einer Stammleitung gemeinsam angeschaltet, wodurch die Leitungen besser ausgenützt werden konnten. Nachteil war allerdings, dass, wenn einer der vier Teilnehmer telefonierte, die anderen Teilnehmer besetzt waren. Auch konnten sich die vier an einer Leitung hängenden Teilnehmer nicht gegenseitig anrufen.

In den Telefonzellen plakatierte die Post- und Telegraphenverwaltung Schilder mit dem Hinweis „Fasse Dich kurz“. Wenn jeder der angestellten Personen die drei Minuten Gesprächszeit, die damals durch den Einwurf von einem Schilling erkauft wurden, voll ausnützte, waren das bei 10 angestellten Personen 30 Minuten Wartezeit vor der Telefonzelle.

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Die Telefonzelle im Wandel der Zeit

Karpfen und Weihrauch

Die Bescherung fand immer im Wohnzimmer statt. In der Küche zogen wir uns unser Sonntagsgewand an und wir rochen auch schon den Weihrauch, der in einer Metallpfanne auf dem Ofen stand. Der Weihrauch hatte nicht nur die Aufgabe, für einen guten weihnachtlichen Duft zu sorgen, nein, er sollte gleichzeitig auch den Fischgeruch, der beim Zubereiten des Weihnachtskarpfen entstanden war, kompensieren. Dies gelang nicht immer. Manchmal roch man den Karpfen noch immer, obwohl er schon lange verzehrt worden war.

Nachdem alle schön angezogen, geschnäuzt und gekämmt waren, warteten alle auf das Glöckchen, das die Bescherung einläuten sollte. Die Spannung stieg, plötzlich konnte man schon die Schallplatte der Wiener Sängerknaben mit den Weihnachtsliedern aus dem Wohnzimmer vernehmen und dann hörte man auch schon das Glöckchen, das zum Öffnen der Wohnzimmertüre aufforderte.

Da stand er nun, der wunderschöne Christbaum aus unserem Garten. Es war natürlich nur eine Fichte, weil Tannen wurden erst Jahre später für den Verkauf als Christbäume gezüchtet. Und am Baum waren auch noch echte Bienenwachskerzen auf silbernen Kerzenhaltern montiert. Die Flammen der Kerzen spiegelten sich in den Christbaumkugeln, am Kamin lagen Bratäpfel, die so gut aussahen und dufteten, und unter dem Baum lagen einige Päckchen für jedes Kind. Von den Großeltern oder von der Erbtante gab es meist Spielzeug, einen Matador-Baukasten, Matchbox-Autos, Puzzles oder auch Gesellschaftsspiele.

Der Heilige Abend

​​​​​​​Nachdem wir einige Weihnachtslieder gesungen hatten, durften wir Kinder nun endlich die Packerln öffnen, wobei das Weihnachtspapier vorsichtig und ohne es zu beschädigen vom Geschenk entfernt wurde. Das Papier wurde schön glatt gestrichen, damit man es beim nächsten Mal wieder verwenden konnte. Ich glaube, das haben damals alle Mütter und Großmütter so gemacht.

Die Geschenke wurden begutachtet, ausprobiert und hergezeigt. Meine Mutter richtete in der Zwischenzeit den Tisch für das Weihnachtsessen her. Wie schon gesagt, gab es meistens Karpfen mit Erdäpfelsalat. Zwischendurch riefen Verwandte und Freunde an, wünschten alles Gute zu Weihnachten und luden sich selbst zu uns ein oder sprachen auch Einladungen an uns aus, sie während der kommenden Feiertage zu besuchen.

Wenn ich die Weihnachten meiner Kindheit mit der heutigen hektischen Weihnachts- und Vorweihnachtszeit vergleiche, muss ich ehrlich sagen, dass früher alles viel ruhiger, gemütlicher und stimmungsvoller war als heute. Ich habe heuer auf jeden Fall vor, mich von dem Trubel vor Weihnachten nicht anstecken zu lassen und ich wünsche euch, lieben Leserinnen und Lesern, schon jetzt ein frohes, schönes und besinnliches Weihnachtsfest ohne Hektik und Stress.

Glühbirne

Über den Autor

Gerhard Fürnweger ist Verwalter des umfangreichen Historischen Archivs von A1 Telekom. Seine Leidenschaft ist die Dokumentation und Verwaltung des riesigen geschichtlichen Fundus, denn Geschichte sollte nicht verblassen.

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