HTC Vive im Test – die Beste unter den VR-Brillen?

Technisch gesehen bietet die HTC Vive das beste Gesamtpaket unter allen Virtual Reality Brillen. Dank der beiden Trackingboxen und der Notwendigkeit eines sehr leistungsstarken PCs läuft das System sehr schnell und flüssig. Lange Sitzungen ohne Schwindel oder Übelkeit sind mit etwas Übung kein Problem. Welches Potential sonst noch in der Brille schlummert, welche Spiele bereits verfügbar sind und vor allem ob es sich lohnt stolze 900€ dafür auszugeben, kläre ich im folgenden Test.

HTC Vive im Test

Außen hui – innen noch mehr hui

Die Brille kommt in einer ziemlich großen und schönen Verpackung. Man möchte fast meinen, der benötigte PC wird gleich mitgeliefert – leider ist der aber Voraussetzung. Möchte man auch bei anspruchsvolleren Games ein ruckelfreies Spielerlebnis, sollte man zu den 900€ der Brille in etwa nochmal so viel für den PC investieren – über meine persönliche Konfiguration lest ihr etwas weiter unten. In der Box enthalten ist die Brille, die beiden Trackingboxen, die diagonal zueinander in maximalen Abstand von 5 Metern aufgestellt werden und den virtuellen Raum begrenzen, 2 Controller, Kopfhörer und sämtliche Kabel.

Aufbau und Installation

Über diese Internetseite kann man sich die für die Installation benötigte Software herunterladen. Dabei enthalten ist auch eine Anleitung, die den Aufbau schön bebildert erklärt. Was man auf jeden Fall benötigt ist viel Platz und viele Steckdosen. Die Trackingboxen, sowie die zentrale Steuereinheit, die mit dem PC über ein USB und ein HDMI Kabel verbunden wird, benötigen einen Stromzugang. Die Controller müssen ebenfalls regelmäßig aufgeladen werden. Um die Brille optimal nutzen zu können, benötigt man mindestens 3m² Platz.

HTC Vive im Test - Aufbau und Einrichtung

Hat man alles verkabelt und angeschlossen, muss man noch Steam und die Steam VR Software installieren und alles konfigurieren. Um bei aufgesetzter Brille nicht gegen echte Wände im Zimmer zu laufen, blendet die Software ein virtuelles Gitternetz ein. Dieses muss man dem System allerdings erst anlernen, indem man mit dem Controller die Grenzen des Zimmers abgeht. Außerdem müssen der Boden kalibriert und Brillesamt Controller von den Trackingboxen registriert werden. Anschließend kann man in einem Tutorial die wichtigsten Funktionen der Brille und alle Knöpfe der Controller lernen und ausprobieren und sich direkt ins erste Spiel stürzen. Die Einrichtung und Konfiguration geht leicht von der Hand. Insgesamt habe ich zirka eine Stunde vom Öffnen der Verpackung bis zum Starten des ersten Spiels benötigt.

HTC Vive im Test - Grenzen setzen

Game on!

Der Moment, wenn man die Brille aufsetzt und tatsächlich das erste Mal ein Spiel spielt, ist fantastisch. Obwohl das Bild im ersten Moment pixelig, also körnig wirkt (woran man sich schnell gewöhnt), taucht man von einer Sekunde auf die andere in eine neue Welt ein. Die Zeit vergeht wie im Flug und scheint trotzdem gleichzeitig stehen zu bleiben.

HTC Vive im Test - Games

Während meiner einwöchigen Testphase habe ich um die 30 verschiedene VR Games ausprobiert. Natürlich sind nicht alle gut. Den meisten fehlt es an Tiefgang. Da verliert man nach wenigen Stunden das Interesse. Um die Brille kennenzulernen reicht es jedoch vollkommen aus. Man sollte sich jedoch im Vorhinein ein paar Testberichte durchlesen und den Kauf jedes Spiels gut überlegen. Die Bandbreite der Qualität ist sehr breit gefächert. Allgemein ist das Angebot an Spielen noch relativ beschränkt. Große VR Titel werden wohl (hoffentlich) erst im Laufe dieses und der nächsten Jahre kommen. Hier wünsche ich mir vor allem storylastige Spiele und Spiele mit einer schönen Welt, in der es viel zu entdecken gibt! Zombie-Shooter sollten aber auch nicht fehlen! Aktuell sind Entwickler Studios damit beschäftigt, die Mechaniken von VR Spielen zu lernen und auszuprobieren, was möglich ist und was nicht. Ein besonderer Knackpunkt ist die Fortbewegung. Man kann sich zwar in dem kleinen 3m² großen Raum frei bewegen, über weite Strecken ist man aber auf einen Controller angewiesen. Bei der gängigsten Lösung wählt man mit dem Controller einen Punkt auf der Karte aus, zu dem teleportiert werden möchte. Das funktioniert in langsamen Spielen gut, kann aber in der Hitze des Gefechts und wenn es schnell gehen muss zu Verwirrungen führen, da man sich nach jedem Teleport kurz neu orientieren muss.

HTC Vive im Test - in Action

Besonders gefallen haben mir bisher der Space Pirate Trainer, The Lab und der Job Simulator. Ersteres ist eine Art Weltraum-Shooter, bei dem man Wellen von angreifenden Aliens abschießen muss. In den Händen hält man entweder eine Waffe, die über mehrere Schussmodi verfügt, oder ein Schild das gegnerische Schüsse abblockt. Das Besondere: Es ist eines der wenigen Spiele mit einem Highscore. So kann man sich unter Freunden abwechseln und um den ersten Platz kämpfen.

The Lab ist eine VR Demo direkt aus dem Hause Valve. Demnach findet sich hier auch der Charme und Humor von Spielen wie Half Life oder Portal wieder. Im virtuellen Lab, das als Zentrale fungiert, hat man die Möglichkeit, in verschiedene kleine Welten einzutauchen und Aufgaben zu erledigen. Man kann die eigenen Bogenschießkünste unter Beweis stellen, an der Slingshot-Maschine eine Halle voll mit gestapelten Kisten leerräumen oder auf der Spitze eines hohen Bergs die Aussicht genießen und mit dem Robohund „Hol das Stöckchen“ spielen.

HTC Vive im Test - in Action

Im Job Simulator kann man, wie der Name vermuten lässt, verschiedene Jobs ausprobieren. Als Küchenchef muss man eine Bestellung nach der anderen zubereiten. Ob das Spiegelei noch roh oder komplett verkohlt ist, spielt dabei keine Rolle. Das Spiel überzeugt mich vor allem durch die vielen verschiedenen Berufe, die es auszuprobieren gibt und den teilweise sehr schnippischen und selbstironischen Humor. Wenn ich einen Restaurantkritiker mit einem Bündel Bargeld besteche oder als Automechaniker das Auto eines Kunden sabbotiere nur weil dieser mit einem Gutschein bezahlen will, kommt mir das Schmunzeln.

Steam als Kommandozentrale

Als Dreh- und Angelpunkt aller Spiele dient die Plattform Steam. Die ist sehr gut in die Benutzeroberfläche der Brille integriert. Man muss Spiele nicht vom PC aus starten, sondern kann per Tastendruck am Controller das Steam Menü öffnen. Hier lassen sich Spiele öffnen oder beenden. Man kann aber auch sein Handy per Bluetooth verbinden, um keine wichtigen Anrufe oder SMS zu verpassen. Außerdem kann man auf den PC Desktop zugreifen, in den Internet Browser wechseln und die Lautstärke regeln. Neugierige Zuseher sehen am PC übrigens alles, was auch der Spieler innerhalb eines Spiels sieht und können so alle Bewegungen live mitverfolgen.

HTC Vive im Test - Ansicht von Innen

Highend Hardware

Die beiden Controller übernehmen in den meisten Spielen die Funktion der Hände. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Bewegungen ist dabei nicht zu spüren. Eingaben und Bewegungen werden gefühlt sofort umgesetzt. Das ist auch besonders wichtig, um Übelkeit zu verhindern. Ungeübte Spieler schaffen es die ersten paar Male dennoch nicht, länger als 30 Minuten am Stück zu spielen. Das bessert sich aber und nach einigen Durchgängen sind auch mehrstündige Sessions kein Problem. Die Controller sind ergonomisch aufgebaut, liegen gut in der Hand und sind nicht zu schwer. Die Knöpfe sind so angebracht, dass sie intuitiv zu erreichen sind und das Touchpad reagiert ebenfalls sehr gut auf Eingaben mit dem Daumen. Besonders überrascht war ich über die lange Akkulaufzeit. Ein ganzer Tag spielen, ohne die Dinger aufzuladen, ist möglich. Leider kann man die Akkus nicht austauschen. Das könnte vor allem nach einigen Jahren zu Leistungsproblemen führen. Der Trigger wird mit dem Zeigefinger bedient und hat ein sehr gutes haptisches Feedback. Die Schlaufen verhindern ein unbeabsichtigtes Loslassen.

HTC Vive im Test - Boxen und Controller

Die Brille ist im Vergleich zu den Controllern deutlich schwerer. 600 Gramm ohne Kabel um genau zu sein. Bei zierlichen Personen kann das nach einiger Zeit zu Nackenschmerzen führen. Na zum Glück bin ich nicht zierlich. Vorne an der Brille befindet sich eine kleine Kamera, die über einen Knopf aktiviert werden kann. Den Kopfhörerausgang, an den man entweder die mitgelieferten oder aber auch jedes beliebige Headset anschließen kann, findet man hinten und einen drehbaren Knopf, um den Augenabstand einzustellen, seitlich. Letzterer sorgt für ein schärferes virtuelles Bild. Die HTC Vive ist leicht aufzusetzen (ähnlich einer Skibrille) und wird über Klettverschlüsse und weitere drehbare Knöpfe am Kopf fixiert. Innen befindet sich ein herausnehmbarer Schaumstoff, der alles blickdicht abdichtet und Schweiß aufnimmt. Stundenlanges spielen in der virtuellen Welt ist nämlich ziemlich anstrengend. Die Brille sollte nicht zu fest und nicht zu locker am Kopf sitzen. Am besten so, dass man rundherum nicht „nach draußen“ sehen kann. Über den Hinterkopf werden sämtliche Kabel der Brille abgeleitet. Diese bündeln sich dann in einer kleinen Steuereinheit, die mit dem PC verbunden wird.

HTC Vive im Test - Brille

Die Kabel sind meiner Meinung nach noch eines der größten Mankos der Brille. Obwohl sie recht lang sind, muss man immer aufpassen, nicht darüber zu stolpern. Der PC sollte außerdem möglichst nahe am Spielraum stehen, um eine hohe Beweglichkeit zu garantieren.

Der Vergleich zur Konkurrenz

Ausprobiert habe ich alle namhaften VR Brillen bereits mehrmals. Am A1 Blog habe ich hier darüber berichtet. Einem ausführlichen Test unterziehen konnte ich bislang nur die Vive. Dennoch merkt man der Brille von HTC an, dass sie technisch am ausgereiftesten ist. Der hohe Preis kommt bestimmt nicht von irgendwo. Außerdem steht mit Steam eine der größten Spieleplattformen in Kooperation. Für mich bleibt nur zu hoffen, dass das Potential in den nächsten Jahren auch entsprechend ausgenutzt wird und VR nicht zu einer Randerscheinung wie einst Microsofts Kinect wird. Am PC steht als direkter Konkurrent Facebooks Oculus Rift der Vive gegenüber. Die kostet zwar ein paar hundert Euro weniger und wiegt mit nur 470g auch deutlich weniger, ist technisch dafür auch etwas hinter der HTC Brille.  Außerdem läuft Oculus Rift nicht über Steam, weshalb die HTC Vive für Spieler eher interessant sein könnte. Im Moment ist das Spieleangebot aber ausgeglichen. Das billigste VR-Angebot kommt aus dem Hause Sony. Die Playstation VR kostet nur 400€ und ist mit Sony im Rücken eindeutig als VR Brille für Gaming definiert. Interessant wird es deshalb noch, weil nach wie vor unbekannt ist, wie gut die Brille auf einer „normalen“ PS 4 laufen wird. Eine leistungsstärkere PS 4.5 wurde von Sony bereits angekündigt und von vielen Fans stark kritisiert.

HTC Vive im Test - Brille innen

Was muss mein PC können?

In meinem von mir selbst zusammengebauten PC schlägt ein Intel i5 3570K Prozessor, der auf 4.1 GHz Leistung übertaktet wurde, und eine GTX 970 Grafikkarte von Nvidia, die auf die Leistung einer GTX 980 Referenzkarte übertaktet wurde. Außerdem habe ich 16GB RAM und eine SSD Festplatte verbaut. Alle gängigen Spiele laufen auf maximalen Einstellungen in FullHD. Der Steam VR Performance Test hat mir allerdings verraten, dass die Grafikkarte, die derzeit ca. 350€ kostet, den Flaschenhals meines Systems bildet. Etwas Luft nach oben wäre noch. Die restlichen Komponenten beschränken die Leistung meines VR Erlebnisses nicht. Es ist allerdings kein Wunder, dass vor allem von der Grafikkarte enorme Leistungen gefordert werden, da Spiele ja in 2160×1200 Auflösung und mit mindestens 90 Frames pro Sekunde laufen müssen. Wer seinen PC auf VR Tauglichkeit testen möchte, nutzt am besten dieses kostenlose Tool.

HTC Vive im Test - Performance

Kaufberatung und Fazit

Wer sich heuer eine VR Brille kaufen will, sollte sich diese Entscheidung gut überlegen. Ersten handelt es sich bei den 2016 auf den Markt kommenden Geräten um die erste Generation ihrer Art. Das merkt man vor allem am doch noch stark verpixelten Bild, sowie dem Problem mit der Kabellänge. Keine der VR Brillen kostet wenig. Man investiert also viel Geld in eine Innovation, die noch nicht vollständig ausgereift ist. Das Spieleangebot hält sich ebenfalls noch in Grenzen und wer weiß, wie sich der VR Markt in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Das Erlebnis, das sich mit der HTC Vive hatte, war nichtsdestotrotz umwerfend. Die Reaktionsgeschwindigkeit auf Eingaben ist nicht spürbar und mit ausreichend schnellem PC steht einer wirklich tollen Erfahrung nichts im Weg. Man setzt die Brille auf und ist in einer anderen Welt. Die Hardware ist hochwertig verarbeitet, der Akku der Controller hält ausreichend lange und die Kooperation mit Steam weckt gerade bei Spielern große Hoffnungen auf zukünftige VR-Spielehighlights. Die Brille sitzt trotz des etwas hohen Gewichts gut am Kopf. Lediglich das Kabel ärgerte mich des Öfteren. Für mich persönlich ist die HTC Vive eine ausgezeichnete VR-Brille, zu einem für mich etwas zu hohen Preis.

Wer noch nie eine VR-Brille aufgehabt hat, sollte dies unbedingt tun. Egal ob man sich eine zulegen möchte oder nicht. Diese Erfahrung ist einzigartig. Das VREI in Wien zum Beispiel ist eine VR-Lounge, in der man viele Brillen kostenlos ausprobieren kann. Wir haben dem Lokal bereits einen Besuch abgestattet.

 

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